2012 fiel der Startschuss für die Industrie 4.0 – abgefeuert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Bisher scheint die Industrie 4.0 aber nur ein Begriff, statt eine fortschrittliche Bewegung zu sein. Was steckt dahinter?
Die Präsenz der Thematik steigt, was zuletzt das Institut für Demoskopie Allensbach mit einer von der Telekom beauftragten Studie bestätigte: Während 2014 nur 38 Prozent der befragten Führungskräfte den Begriff Industrie 4.0 gehört oder gelesen haben, waren es 2015 schon 74 Prozent.
Die Bedeutung von Industrie 4.0 scheint also in den richtigen Firmenetagen angekommen zu sein. Doch mancherorts fängt die intensive und operative Auseinandersetzung gerade erst an. Das Beratungsinstitut IDC Central Europe befragte 201 Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe mit mehr als 100 Mitarbeitern. Während sich der Großteil noch mit der Evaluierung (45 Prozent) und Planung (25 Prozent) von Industrie 4.0-Maßnahmen beschäftigt, starten 15 Prozent erste Pilotprojekte. Zwölf Prozent bescheinigen ihrem Unternehmen eine begrenzte und gerade einmal drei Prozent eine umfassende Umsetzung von Industrie 4.0.
Doch warum entwickelt sich die vierte industrielle Revolution – anders als erwartet – eher schleppend? Nach der Betrachtung von 17 Studien ergaben sich eine Reihe von Hindernissen, die daran beteiligt sein könnten.
Fachpersonal
Die Industrie 4.0 verlangt nach professionell geschultem Personal. Weiterbildungen sind zeitintensiv und teuer – die Umschulung auf moderne Prozesse fällt vielen Unternehmen schwerer als zunächst angenommen. Ein Lichtblick: Der IT-Beratungskonzern CSC stellt in einer Befragung von Industrieunternehmen fest, dass 24 Prozent der befragten Personen angaben, in einem Unternehmen tätig zu sein, in dem Ausbildungsprogramme zum Thema Industrie 4.0 geplant sind.
Ein weiteres Problem in Bezug auf die Industrie 4.0 ist die Altersstruktur in den Industrieunternehmen – nicht nur auf Führungsebene. Dennoch ist zunächst ein klares Bekenntnis auf Seiten der Unternehmensentscheider zur Industrie 4.0 der wichtigste Gesichtspunkt für den Erfolg. Für viele konservativ eingestellte Geschäftsführer ist die Digitalisierung oft eher eine Bedrohung als eine Chance.
Auch wenn die neuen Prozesse und Weiterbildungsmaßnahmen zunächst abschrecken, so profitieren Unternehmen, Entscheider und auch die Arbeiter im produzierenden Gewerbe auf lange Sicht. Durch die zentrale Speicherung aller Daten und Dokumente werden die Wege für die Mitarbeiter kürzer: Durch Cloud-Systeme sind alle benötigten Informationen an einem Ort und zusätzlich von überall aus abrufbar. Das vereinfacht die Verwaltung und auch die Kommunikation. Zum einen zwischen dem eigenen Unternehmen und den Kunden bzw. Geschäftspartnern und zum anderen zwischen den Mitarbeitern selbst. Die Speicherung von Daten bringt uns allerdings zu unserem nächsten Hindernis der Industrie 4.0: Datensicherheit.
Datensicherheit
Die Datensicherheit ist eines der meist angesprochenen Hindernisse. Einige Unternehmer glauben, durch die digitale Vernetzung der Maschinen, wichtige Dokumente direkt auf dem Präsentierteller anzurichten und Cyber-Kriminalität zu vereinfachen. Computer sind ein Risiko – davon wissen wir seit der Erfindung des ersten Virus 1983 durch Len Adleman und Fred Cohen. Jedoch existieren bereits einige Lösungsansätze.
Beispielsweise können bestimmte Maschinen eigene Drahtlosnetzwerke erzeugen, auf die man nur in Maschinennähe zugreifen kann. Dies verhindert Angriffe auf das Netz von außen. Des Weiteren gibt es die Möglichkeit, Daten mithilfe der End-to-End-Verschlüsselung zu sichern. Es sind erste gute Ansätze, die natürlich von Fall zu Fall speziell analysiert werden müssen. Die Datensicherheit bleibt also ein größeres Thema, das es weiterzuentwickeln gilt.
Investitionen
Nach Ansicht einiger Entscheider gelten die hohen Investitionskosten als ein großes Hindernis der Industrie 4.0.
Dabei wird sich die Industrie 4.0 in den kommenden Jahren auszahlen: Das Frauenhofer Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation fand im Auftrag der Ingenics AG heraus, dass Unternehmen ein Mehrumsatz von 2,5 Prozent erwarten. Hinzu kommen Kosteneinsparungen von 2,6 Prozent. Zugegeben, diese Werte klingen für den Anfang nicht sonderlich überwältigend.
Neben den harten Finanzzahlen zählt für viele Firmen jedoch darüber hinaus auch der Status, als Frühanwender und Vorreiter zu gelten.
Durch effiziente, vernetzte Produktionsstätten können qualitativ-hochwertige und gleichzeitig kostengünstige Produkte in geringerer Zeit hergestellt werden. Dieses Alleinstellungsmerkmal bringt teilnehmenden Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, der die Investitionen rechtfertigt.
Vorteile
Klar, das sind alles Punkte, die im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung zu klären sind. Allerdings steht dieser Auseinandersetzung aufgrund des Bedeutungszuwachses vor allem unter Entscheidern und Politikern auch nichts mehr im Weg.
Wir sollten auch auf die Aspekte schauen, die mit einer vernetzten Fabrik möglich sind. Viele Unternehmen schwärmen zum Beispiel von:
- einer effizienteren Produktionsweise
- verkürzten Produktentwicklungszyklen
- erhöhter Flexibilität
- Kostensenkung und Umsatzsteigerung
- erhöhter Arbeitsqualität
- Entlastung der Arbeiter
- effizienterer Logistik
- einem zukunftsweisenden Unternehmensimage
- Kundenzufriedenheit
- Wettbewerbsfähigkeit
Im Hinblick auf diese Möglichkeiten ist die eingangs gestellte Frage einfach: Industrie 4.0 muss eine fortschrittliche Bewegung sein. In Anbetracht des einen oder anderen Hemmnisses ist sie allerdings eine fortschrittliche Bewegung mit Startschwierigkeiten. Wir sind uns allerdings sicher, ist der Stein erst einmal ins Rollen gekommen, kann ihn so schnell nichts mehr stoppen.
In diesem Sinne: optimistische Grüße von FLYACTS!
Weitere Daten und Studien zum Status quo der Industrie 4.0 gibt es in unserer Publikation zum Thema unter: www.flyacts.com/industrie-4.0-analyse-status-quo.