Interview: Lysander Weiß, Mark Poppenborg und Johannes Ceh zu Digitalen Innovationen

FLYACTS im Gespräch mit 3 Experten zu aktuellen Bemühungen und Stellschrauben für erfolgreiche Digitalisierung

Auch wenn die Welt momentan still zu stehen scheint, die digitale Revolution geht weiter. Und es zeigt sich mehr denn je, wie wichtig und notwendig digitale Innovationen sind. Unternehmen dürfen deshalb auch oder gerade in Zeiten wie diesen nicht den Anschluss verpassen und sollten kontinuierlich daran arbeiten, ihr Unternehmen fit für die Zukunft zu machen.

Wie digital fit deutsche Unternehmen bislang sind bzw. was sie tun, um digitale Innovationen voranzubringen zeigt unsere aktuelle Trendstudie zu Digitalen Innovationen.

Um uns ein noch konkreteres Bild vom aktuellen Innovations-Status zu machen, sprachen wir mit drei Wegbereitern und Wegbegleitern in Sachen Digitalisierung, Innovation und New Work und wollten wissen, wie sie, die aktuellen Innovationsbemühungen in deutschen Unternehmen erleben.

Drei erfahrene und engagierte Experten, die sich auf verschiedene Bereiche spezialisiert haben, also einen guten Überblick über die Bemühungen der Unternehmen geben, wie digitale Innovation im Jahr 2020 gestaltet wird, welche Herausforderungen es gibt und was bereits gut funktioniert: Lysander Weiß, Mark Poppenborg und Johannes Ceh.

 

Lysander Weiß ist Autor, Keynote-Speaker, Dozent und Partner bei der preisgekrönten Unternehmensberatung Venture Idea und bietet zukunftsweisende Beratung für Strategie & Innovation in etablierten Unternehmen. In seiner Forschung an der HHL Graduate School of Management konzentriert er sich auf aktuelle Management-Herausforderungen wie organisatorische Ambidexterität, Corporate Venturing und innovative Strategieentwicklung. In seiner Arbeit baut er auf akademischer Forschung und praktischer Erfahrung auf, um etablierte Unternehmen bei ihren Strategie- und Innovationsherausforderungen mit eigenen Managementmethoden und -modellen zu beraten. In seinen Vorträgen gibt er neue Impulse für die Zukunft, die auf seiner Forschung und seinen Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit mehr als der Hälfte der DAX-Unternehmen und KMUs in über 60 Projekten und mehr als 20 Branchen basieren. Seine Bestseller-Bücher wie “Das Comeback der Konzerne”, oder “Good Job!” bieten neue Einblicke und praktische Anleitungen für erfolgreiche Innovationen innerhalb und außerhalb etablierter Unternehmen.

FLYACTS: Was bedeutet für dich digitale Innovation?

Lysander Weiß: Eine digitale Innovation ist für mich eine (bessere) Lösung für ein relevantes Problem, welche mit Hilfe digitaler Technologien ermöglicht wird. Dabei sollte das Digitale jedoch nie Selbstzweck sein, sondern stets nur eingesetzt werden, wenn es die Lösung tatsächlich verbessert, oder erst ermöglicht. Insofern ist auch eine digitale Innovation lediglich eine Innovation.

FLYACTS: Welche Ziele sollte sie erfüllen?

Lysander Weiß: Eine digitale Innovation muss genau wie jede andere Innovation das Ziel erfüllen, einen klaren Mehrwert im Gegensatz zu existierenden Lösungen zu bringen. Der Mehrwert kann z.B. günstiger /schneller /bequemer / funktionaler /… sein. Insofern die digitale Innovation in einem Unternehmen entwickelt wird, müssen zudem die Unternehmensziele durch die Innovation (besser) erreicht werden, insofern ist ein weiterer Mehrwert auf Unternehmensseite notwendig (profitabler, effizienter, verkaufssteigernd, …).

FLYACTS: Du bist Experte für Innovation & Growth und kennst sicherlich die damit verbundenen Herausforderungen. Welches sind aus deiner Sicht die größten Hürden?

Lysander Weiß: Wie Edison sagt, braucht es für Innovation 1% Inspiration und 99% Schweiß. Eine Hürde ist die oft fehlende Bereitschaft, neben spaßigen, inspirativen Innovations- und Kreativworkshops auch tatsächlich in die mühsame Kleinarbeit zu gehen, die für die Entwicklung neuer Lösungen notwendig ist. Auf Unternehmensseite fehlt es zudem oft an klaren (strategischen) Zielen für Innovationsaktivitäten, und einem Prozess, diese auch systematisch zu erreichen. In Bezug auf digitale Innovationen herrscht zudem eine oftmals kontraproduktive Trennung zwischen Digitalisierung, Innovation und Strategie, welche es erschwert, alle Aktivitäten in einem Gesamtportfolio zielgerichtet zu koordinieren.

FLYACTS: Wie nimmst du die Bemühungen, digitale Innovation zu entwickeln, innerhalb der Unternehmen war? Sind diese ausreichend und aus deiner Sicht erfolgversprechend?

Lysander Weiß: Es gibt oft eine große Bereitschaft, Digitalisierung und digitale Innovationen voranzutreiben, die aber lediglich in einigen Bereichen des Unternehmens existiert, und zu Frustration führen kann, wenn das ganze inkonsequent angegangen wird. Es ist daher notwendig, digitale Optimierungs-. Innovations-, und Transformationsprojekte in die Strategie des Unternehmens zu bringen, sodass diese ein Teil der strategischen Roadmap zur Erreichung der Unternehmensziele werden. Damit wird auch der o.g. Selbstzweck digitaler Innovationen vermieden, und allen Mitarbeitenden ist klar, warum diese notwendig sind. Viele Bemühungen, welche Digitalisierung und Innovation getrennt vom unternehmen betrachten, sind langfristig nicht erfolgversprechend, dazu gehören separate Transformationsprogramme, CDOs, Digital Labs, etc. Wenn diese jedoch strategisch mit den Gesamtunternehmen verknüpft werden, können sie einen schnellen „Boost“ liefern und zur Erreichung der strategischen ziele beitragen.

FLYACTS: Was hältst du von den Innovation Hubs, Innovationsmanagern und Digital Units, die vermehrt in deutschen Unternehmen entstehen, um Innovationsentwicklung autark von innen betreiben zu können?

Lysander Weiß: Wie angesprochen, sind diese oftmals aufgrund ihrer starken Separation vom Kerngeschäft und der Gesamtstrategie des Unternehmens wenig erfolgreich, außer sie fokussieren sich im Sinne von CVC rein auf externe Investments (z.B. Intel Capital). Sie beinhalten jedoch viele Talente, Know How, Methodenwissen & Co, mit welchen sie zum Erfolg des Unternehmens beitragen können, wenn sie für strategische relevante projekte eingesetzt werden, und möglichst auch bestehende Ressourcen des Unternehmens nutzen können.

FLYACTS: Welche Chancen siehst du in der Zusammenarbeit mit externen Experten?

Lysander Weiß: Viele etablierte Unternehmen verfügen gerade in Bezug auf digitale Innovationen (noch) nicht über die notwendigen Kompetenzen, um auf externe Experten verzichten zu können. Sie müssen jedoch möglichst intern oder mit unabhängigen Beratern entwickeln, welche Projekte und Lösungen strategisch sinnvoll sind, da sonst die Gefahr besteht, dass sie vorgegebene Lösungen externer Experten von Tech-Unternehmen einkaufen.

FLYACTS: Was sind aus deiner Sicht die besten Ausgangsbedingungen, damit sich eine neue, innovationsfördernde Arbeitskultur entwickeln kann?

Lysander Weiß: Eine übergreifende Mission mit klaren Zielen kann stark Innovationen fördern. Dies kann auch als „Man-on-the-Moon-moment“ bezeichnet werden, da wie bei der Mondmission alle Menschen an einem Strang ziehen, und Lösungen für eine übergreifende Mission suchen. Selbstverständlich braucht es dann interne Rahmenbedingungen, um diese Lösungen strukturiert zu entwickeln und umzusetzen.

 


Mit Mark Poppenborg sprachen wir über die Rolle unternehmerischer Führung und New Work. Er ist Unternehmer, Speaker und Gründer des bekannten Think Tanks und Netzwerks intrinsify, das sich für mehr echte Arbeit statt verschwenderischer Beschäftigung in der Wirtschaft einsetzt und zu moderner Unternehmensführung und Organisationsentwicklung aufklärt. Seit seiner ersten Gründung 2010 hat Mark viele weitere Unternehmen und Projekte initiiert. Dazu gehören u.a. das work-X Festival, die Unternehmensberatung Organeers und ein Online-Händler im Lebensmittelbereich. Insofern ist er nicht nur als Vordenker sondern auch als Vormacher bekannt. Mark kombiniert seine aufklärerischen und desillusionierenden Impulse stets mit Geschichten, praktischen Inspirationen und Handlungsanweisungen.

FLYACTS: Mark, Du bist Experte für New Work und kennst die damit verbundenen Herausforderungen unternehmerischer Führung. Wie nimmst du die Bemühungen der Führungsebene im Hinblick auf die Entwicklung einer neuen Arbeitswelt und Innovationskultur wahr? Sind diese ausreichend und aus deiner Sicht erfolgversprechend?

Mark Poppenborg: Entgegen der landläufigen Annahme fehlen den Führungskräften keine Tugenden. Moderne Führung ist keine Frage des Stils. Was den meisten Führungskräften fehlt, ist ein Grundverständnis für Organisationssoziologie. Manager sind in der Regel mit betriebswirtschaftlichen Denkmodellen ausgestattet. Diese eigenen sich aber nur für den administrativen Teil der Unternehmensführung. Der dynamische Teil kann damit weder verstanden noch angemessen adressiert werden. Deshalb bleiben viele Unternehmen unter ihren Möglichkeiten zurück. Das betrifft auch Fortschritte im Sinne der Innovation und Arbeitsorganisation.

FLYACTS: Welche Rolle sollte die Unternehmensführung bei der Entwicklung einer neuen Arbeitswelt und / oder bei der Entwicklung digitaler Innovationen einnehmen?

Mark Poppenborg: “Die neue Arbeitswelt” ist genauso wenig Selbstzweck wie die Digitalisierung. Beide sind das Ergebnis von Marktmechanismen. Der Markt entscheidet über die Notwendigkeit zum Wandel, keine Mode oder romantischer Humanismus. Unter hohem Wettbewerbsdruck steigt die Dynamik. Um mit dieser umgehen zu können, sind Unternehmen zur Innovation verdammt. Die Rolle der Unternehmensführung ist es, Innovation zu fördern, indem sie die dafür nötigen strukturellen Voraussetzungen schafft. Das ist gerade nicht die Arbeit an der Kultur, sondern eine intelligente Trennung von Routine- und Kreativarbeit sowie die Gewährleistung eines organisatorischen Nestschutzes für Innovationsvorhaben.

FLYACTS: Was muss sich aus deiner Sicht in den Unternehmen ändern? Wie und an welcher Stelle können Unternehmen offener, frecher und mutiger werden?

Mark Poppenborg: Viele Unternehmen sind überreguliert. Das folgt meist der Vorstellung, Komplexität dadurch bewältigen zu können, indem man sie durch Bürokratie reduziert. Um komplexen Märkten etwas entgegenzusetzen, müssen Unternehmen aber kontra-intuitiver Weise ihre eigene Komplexität erhöhen. Das erhöht die Oberfläche zum Markt und damit die Wahrscheinlichkeit für Innovation und Agilität.

FLYACTS: Sind Standard-Tools und Methoden zur Kreation, Prozessgestaltung und Entwicklung überhaupt sinnvoll? Oder lähmen diese nicht sogar die eigene Kreativität?

Mark Poppenborg: Es ist ein Mythos, dass Ideen, das Ergebnis von Prozessen und Methoden sein könnten. Das lässt sich leicht überprüfen, indem man sich in Ermangelung von Ideen unter die Dusche stellt. Oft wartet man lange bis dann eine Idee kommt. Methoden können aber einen Schutzraum stiften, in dem Ideen einen Anschluss finden, der ihnen in der Alltagskommunikation verwehrt bleibt. Dazu muss aber keine Design Thinking Polizei anrücken, ein Rahmen der Sicherheit stiftet reicht vollkommen.

 


Wir fragten Johannes Ceh nach den zwischenmenschlichen Besonderheiten, die bei der Innovationsentwicklung eine Rolle spielen (sollten). Johannes Ceh ist Social Entrepeneur und Executive Begleiter. Als Gründer der Social Impact Initiative „Our Job To Be Done“ und mit Formaten wie seinem wöchentlichen gleichnamigen Podcast ermutigt er zu einem konstruktiven Umgang mit den Herausforderungen unserer Zeit. Er unterstützt Entscheider dabei, technische und organisatorische Herausforderungen proaktiv und wertschätzend mit ihren Mitarbeitern und Kunden anzugehen. Und er befähigt zum gemeinsamen lösungsorientiertem Handeln. Executives und Mitarbeiter werden „on the job“ in ihren Kompetenzen gestärkt. Nachhaltige Wertschöpfung statt kurzfristigem Erfolg.

FLYACTS: Johannes, was bedeutet für dich digitale Innovation?

Johannes Ceh: “Digital” und “Innovation” hängen zwar zusammen – Digital kann unglaublich viel möglich machen, kann Brücken bilden und Horizonte aufmachen, über Daten, die vorher nicht erkennbar waren – Es steckt aber auch ohne das Digitale schon ganz viel Innovationspotenzial in den Menschen.

FLYACTS: Wie nimmst du die Bemühungen, digitale Innovation zu entwickeln, innerhalb der Unternehmen war?

Johannes Ceh: Es gibt oft einen isolierten Innovationsbereich, da werden Workshops gemacht, zum Beispiel mit der Überschrift “New Work”. Es fehlt aber die Andockung ans reale Business. Oft wird nur auf der grünen Wiese etwas gegründet, das aber wenig mit dem Daily Doing zu tun hat. Es braucht aber Moderation und eine Führung dieser Menschen, die die Innovation umsetzen. Das haben viele Unternehmen noch nicht gelernt.

FLYACTS: Du betrachtest als Innovationsberater und Digitalberater vor allem die menschliche Ebene. Gibt es menschlich betrachtet einen Idealzustand innerhalb einer Organisation oder eines Unternehmens, um erfolgreich an innovativen digitalen Lösungen zu arbeiten?

Johannes Ceh: Ich mache das Business menschlicher und teamfähiger, ja. Der Idealzustand sollte so aussehen, dass wir als Mitarbeiter im Unternehmen ein Bewusstsein haben, dass wir nicht allein sind. Es gibt Mitarbeiter, den Kunden und das Unternehmen mit CEO und Führungskräften. Alle müssen in Beziehung zueinander stehen. Es ist ein Trainingsprozess sich das bewusst zu machen und ein WIR herzustellen, das on the Job zu trainieren, dass man gemeinsam Dinge erschafft. Ansonsten schießt man sich ins Knie.

FLYACTS: Wie müssen die einzelnen Abteilungen zusammenarbeiten? Wer sollte welche Rollen innehaben? Gibt es das ideale Innovationsteam?

Johannes Ceh: Co-Kreation ist wichtig. Es braucht Teams, die untereinander etwas erschaffen, für die Kunden – mit Mehrwert. Es ist nicht die Frage eines isolierten Innovationsteams, sondern dass man die Teams befähigt selbst innovativ zu sein. Da muss man im Innovationsprozess Dinge herausschälen. Es ist ein Kunstgriff, die Menschen mitzunehmen und “on the job” etwas zu machen. Zu klären: Wie wird es umgesetzt, wer kümmert sich darum?

FLYACTS: Ja, es gehört einiges dazu, die spezielle Dynamik eines Teams zu identifizieren und entsprechend zu fördern. In deinem Buch “Zeitalter des Kunden” verdeutlichst du die Rolle des Kunden für Unternehmen. Wie sollte der Nutzer / Kunde bei der Entwicklung digitaler Innovation deiner Meinung nach eingebunden sein, damit diese erfolgreich ist?

Johannes Ceh: Oft wird geglaubt, es gehe um den Mitarbeiter ODER um den Kunden. Letztlich braucht es beides. Es geht auch um das Unternehmen. Es muss ein Dreiklang sein. Das sind unterschiedliche Rollen, die aufeinander einzahlen. Das Unternehmen bietet einen Raum, in dem die Mitarbeiter arbeiten können. Das geht aber nicht ohne Kunden, die dafür zahlen. Und: Es braucht einen WeQ, Emotionale Intelligenz untereinander. Wenn es Mitarbeiter gibt, die keinen Kundenkontakt haben oder nur offline Kontakte mit dem Kunden hat, funktioniert das nicht. Da ist dann ein Gap. Wir sollten nicht rumphilosophieren á la “wir wollen die Welt retten”, sondern sollten überlegen: “Was heißt das konkret für mich als Ladenmitarbeiter oder für mich im Social Media Team?

Wir bedanken uns bei Lysander Weiß, Mark Poppenborg und Johannes Ceh für die interessanten Einblicke und Denkanstöße und wünschen ihnen viel Erfolg bei Ihrer zukunftsweisenden Arbeit!

 

Digitale Innovationen sind unsere Zukunft, doch wie gehen Unternehmen mit der Thematik um? Die Trendstudie gibt Antworten. Laden Sie sich die PDF kostenlos und unverbindlich herunter.

 

 

 

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